Zwischenzeitlich hatte ich das Sportief wieder aus dem Dornröschenschlaf erweckt, weil es mir ganz gehörig gegen den Strich ging, ohne Tacho zu fahren. Trotzdem schmiedete ich gleichzeitig bereits neue Fahrradpläne; das Transportrad musste weg. Am 24.4.80 fuhr ich zu Ketzer & Frings und konfrontierte den Händler endlich mit dem Vorderrad-mit-Tachoantrieb-Einbau-Problem. Ich fiel aus allen Wolken, als der "Mechaniker" mir eröffnete, dass man das Vorderrad damals beim Umbau sehr wohl zu zweit eingebaut hatte. Anders ginge das ja gar nicht, weil ein Mann die Gabel auseinander drücken müsse, während der andere das Rad einsetze, erklärte er mir, als sei es das Normalste der Welt .
Ich fuhr wieder nach Hause und beriet die Sache mit meinem Vater, der natürlich meinte, dass so was Murks sei. Ich solle das Rad umtauschen, sagte er mir. Am 28.4. tauchte ich erneut beim Händler auf und erzwang einen Umtausch. Da das Rad logischerweise schon Gebrauchsspuren aufwies, einigten wir uns auf eine Inzahlungnahme, bei der beim Neukauf eines anderen Rades 248 Mark - der Kaufpreis hatte ja 318 Mark betragen - verrechnet werden sollten. Zu der Zeit konnte ich noch nicht ahnen, dass das (verglichen mit meinen späteren Motorradkäufen und Wiederverkäufen) einer meiner letzten richtig guten Deals sein sollte . Im Eifer des Gefechts hatte ich zwar versäumt, die originale Schaltung wieder einzubauen, und auch das schöne Nostalgie-Rücklicht, das ich damals in Holland für's Sportief gekauft und dann gegen das originale Plastikteil des Transportrades getauscht gehabt hatte, ließ ich dran, aber immerhin war ich diese Schindmähre los und blickte hoffnungsvoll in die Zukunft.
Bereits zwei Tage später nahm ich mein neues Gazelle-Juncker für 448 Mark in Empfang, legte also noch 200 Mark auf den Ladentisch. Es muss sich um ein Exemplar kurz nach der Übernahme der Juncker-Werke durch Gazelle gehandelt haben, so wie es vor dem Krieg auch NSU-Opel-Räder gegeben hatte, nachdem Opel von NSU geschluckt worden war. Qualitativ bewegte sich das Rad zwischen dem Sportief und dem Burgers, ich war soweit zufrieden. In diesem Zeitraum verkaufte ich das 26"-Damenrad, das ich damals praktisch gegen das MARS getauscht gehabt hatte (die 80 Mark-hin-und-her-Geschichte), für 10 Mark an Jogi (der sich während des Geburtstags-Zeitfahrens wegen des maladen Rücktritts so derbe mit der Zehnder auf die Fresse gelegt hatte). Mein Keller war deshalb nicht unbedingt leerer geworden, weil ich einem 50er-Jahre-NSU-Damenrad, das ein Klassenkamerad feilbot, nicht hatte widerstehen können.
In einem Mix aus Größenwahn und einer Anwandlung von "Mama-dein-Sohn-baut-dir-ein-Rad-auf-wie-du-es-einst-als-Mädchen-hattest" trug ich mich allen Ernstes mit dem Gedanken, dieses gnadenlos runtergerittene Rad zu R-E-S-T-A-U-R-I-E-R-E-N ! Ich muss nicht erwähnen, dass ich nicht wusste, womit ich wo und wie überhaupt anfangen sollte - hatte keinen Plan von gar nichts. Krude Auswüchse der chaotischen Gedankenwelt eines schwer pubertierenden Fünfzehnjährigen. Der Schrotthaufen landete irgendwann auf dem Sperrmüll, ich habe das gar nicht zur Notiz genommen. Meine Clique, die LUNATICS, beanspruchten mehr und mehr Raum und Zeit in meinem Leben. Das Schuljahr und damit auch die Schulzeit neigten sich ihrem Ende zu. Ich begann eine Ausbildung zum Schlosser, neue Freunde mit neuen Einflüssen tauchten auf. Meine Fahrradzeit war vorüber, da brauchte ich mir gar nichts vorzumachen.
Am 27.5.1981, also über ein Jahr nach dem Kauf, fuhr ich zum letzten Mal mit dem Gazelle-Juncker und hatte in dieser Zeit gerade mal 1.655km zurück gelegt. Am 2.9.81 verkaufte ich es einem Ex-Klassenkameraden für 250 Mark, schlug das Fahrtenbuch zu und sollte es erst vierzehn Jahre später wieder öffnen. Das Sportief verkaufte ich meinem Vater für 300 Mark. Das muss man sich mal im Hirn zergehen lassen, denn da er es mir ja drei Jahre zuvor gekauft gehabt hatte, kaufte er es nun zum zweiten Mal ...